Bis heute ist es ein großes Geheimnis, wie in der Natur harte und sehr feste Materialien, wie Knochen, Zähne oder Holz, aus einer Mischung aus sehr weichen Proteinen und extrem spröden Mineralien entstehen. Zwar ist inzwischen allgemein bekannt, dass dabei der Komposit-Charakter von biologischen Materialien eine wichtige Rolle spielt, doch über die Längenskala der darin enthaltenen Mineralteilchen wusste man bisher nur wenig.
Zusammenarbeit Leoben - Stuttgart
In einer Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Metallphysik der Montanuniversität Leoben, dem Erich Schmid Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und dem Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart konnte nun gezeigt werden, dass Verbundwerkstoffe bessere mechanische Eigenschaften haben, wenn die harten Partikel, welche zur Verstärkung dienen, nur wenige Nanometer groß sind. „Der Grund dafür ist“, so Univ.Prof. Peter Fratzl vom Institut für Metallphysik, „dass Risse gewöhnlich von Defekten ausgehen, weil in der Nähe dieser Defekte Überhöhungen der elastischen Spannungen auftreten.“ Durch Computersimulation konnte nun nachgewiesen werden, dass in extrem kleinen Teilchen diese Überhöhung nicht mehr auftreten kann. Auf dieser Größenskala verformt sich das ganze Teilchen gleichmäßig und das Material wird tolerant gegenüber Defekten.
Mutter Natur als Lehrmeister
Die Idee zu diesen Berechnungen entstand durch das Studium von Biomaterialien, wie Knochen oder Zähnen, die in Leoben in den letzten Jahren intensiv erforscht worden sind. Viele dieser Biomaterialien (auch die Muschelschale gehört zu dieser Klasse) haben gemeinsam, dass es sich um Verbunde zwischen einer weichen Proteinmatrix und extrem harten aber auch extrem kleinen (Nano-) Partikeln handelt.
Simulationsmodelle
Mit Hilfe eines mathematischen Modells weisen die beteiligten Forscher nach, dass Mineralkristalle, die einen Riss enthalten, bei einer kritischen Größe von ungefähr 30 Nanometer die Rissfestigkeit eines perfekten, defektfreien Kristalls aufweisen. „Außerdem haben wir eine Methode entwickelt, die verdeutlicht, dass das Spannungsfeld in der Nähe eines wachsenden Risses immer homogener wird, je kleiner die Ausdehnung der Struktur ist“, so Professor Fratzl. „Unterhalb dieser kritischen Größe sind Partikel unempfindlich gegenüber rissähnlichen Materialdefekten. „Diese Ergebnisse erklären, warum Knochen, die aus Partikeln von nur einigen Nanometern Größe bestehen, wesentlich fester sind als Muschelschalen, deren Teilchen einige hundert Nanometer groß sind“, meint Fratzl.
Internationale Beachtung
Neben den Leobner Forschern Peter Fratzl und Ingomar Jäger sind noch drei Wissenschafter des deutschen Max-Planck-Institutes an diesem Projekt beteiligt. Die internationale Anerkennung dokumentiert sich in der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse in renommierten Fachzeitschriften, wie beispielsweise in den „Proceedings of the National Academy of Sciences USA“.
Weitere Informationen:
Univ.Prof. Peter Fratzl
Institut für Metallphysik
Tel.: +43 3842-804 109.
Fax: +43 3842-804 116
E-Mail: fratzl@unileoben.ac.at