Durchbruch: Leobner Forscher entschlüsseln metallische Gläser

Wissenschaftler der Montanuniversität Leoben haben einen bedeutenden Fortschritt im Verständnis von metallischen Gläsern erzielt. Diese speziellen Legierungen, die aufgrund ihrer einzigartigen Kombination aus Festigkeit und Elastizität als vielversprechende Werkstoffe gelten, hatten bisher eine entscheidende Schwäche: die plötzliche Ausbreitung sogenannter Scherbänder, die zum Versagen des Materials führen können. Dank einer neu entwickelten Methode konnten die Forscher nun erstmals den Entstehungsprozess dieser Scherbänder detailliert beobachten und ein Modell entwickeln, das das Verhalten der metallischen Gläser auf Nanoebene erklärt. Ihre jüngsten Ergebnisse zu metallischen Gläsern auf Dünnschichtbasis konnten sie in der renommierten Fachzeitschrift ‚Nature Communications‘ veröffentlichen.

Besondere Eigenschaften von metallischen Gläsern

„Mit unserer Forschung ist es uns gelungen, einen bedeutenden Schritt nach vorn zu machen", erklärt Dr. Oleksandr Glushko vom Lehrstuhl für Metallkunde. „Zum ersten Mal können wir die Mechanismen hinter der Bildung und Ausbreitung von Scherbändern in metallischen Gläsern wirklich verstehen und gezielt untersuchen."
In ihren Experimenten nutzten die Leobner Wissenschaftler metallische Gläser in Form von Dünnschichten, die auf einem Polymersubstrat abgeschieden wurden. Mechanische Zugversuche in einer Vakuumkammer eines Rasterelektronenmikroskops ermöglichten es den Forschern, die Oberflächendehnung im Nanometerbereich bei jedem Verformungsschritt präzise zu messen. „Dank der digitalen Bildkorrelation konnten wir die sehr frühen Stadien der Scherbandentstehung abbilden – ein Meilenstein in der Materialforschung," so der Hauptautor der Studie.
Das entwickelte Modell bietet nicht nur eine Erklärung dafür, wie, wo und warum sich Scherbänder bilden, sondern schlägt auch Strategien vor, um deren Ausbreitung zu kontrollieren. Dies könnte zukünftig die mechanischen Eigenschaften von metallischen Gläsern erheblich verbessern und deren Einsatz in verschiedenen technischen Anwendungen ermöglichen.
„Mit diesem grundlegenden Verständnis stehen wir an der Schwelle zu neuen, innovativen Anwendungen für metallische Gläser," betont Glushko. „Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse dazu beitragen, die Potenziale dieser faszinierenden Materialklasse vollständig auszuschöpfen."

Die Publikation mit dem Titel „How to catch a shear band and explain plasticity of metallic glasses with continuum mechanics“ entstand im Rahmen eines FWF-Projekts. Die Ergebnisse dieser bahnbrechenden Forschung wurden kürzlich in einer führenden wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht.
 

Zur Person

Nach dem Masterstudium an der Nationalen Universität Dnipro in der Ukraine im Fach Physik kam Oleksandr Glushko 2007 nach Leoben, um sein Doktoratsstudium am Institut für Physik (jetzt Lehrstuhl für Physik) zu absolvieren. Im Jahr 2011 wechselte er an das Erich Schmid Institut, wo er sich zunächst als Postdoc und später als Leiter eigener Projekte mit Metall-Polymer-Dünnschichtsystemen beschäftigte. Seit 2022 ist er Senior Scientist am Lehrstuhl für Metallkunde. Derzeit beschäftigt sich Oleksandr Glushko mit der Entwicklung neuartiger Stähle und der skalenübergreifenden Charakterisierung metallischer Werkstoffe.

 

Kontakt:
Dr. Oleksandr Glushko
Lehrstuhl für Metallkunde
Telefon: +43 3842 402 - 4230
E-Mail: oleksandr.glushko(at)unileoben.ac.at

Die Spitze eines „gefangenen“ Scherbandes im metallischen Palladium-Silizium-Glas. Die lokale Dehnung ist durch die Farbskala dargestellt, wobei die hohe plastische Verformung durch das Scherband mit roter Farbe gekennzeichnet ist. Ohne die Darstellung der Oberflächendehnung wäre das Scherband nicht sichtbar, da keine Veränderung der Oberfläche stattgefunden hat.

Die Spitze eines „gefangenen“ Scherbandes im metallischen Palladium-Silizium-Glas. Die lokale Dehnung ist durch die Farbskala dargestellt, wobei die hohe plastische Verformung durch das Scherband mit roter Farbe gekennzeichnet ist. Ohne die Darstellung der Oberflächendehnung wäre das Scherband nicht sichtbar, da keine Veränderung der Oberfläche stattgefunden hat. © Foto: MUL

 Dr. Oleksandr Glushko vom Lehrstuhl für Metallkunde. © Foto: MUL

Dr. Oleksandr Glushko vom Lehrstuhl für Metallkunde. © Foto: MUL

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