Gemüse aus dem städtischen Umfeld

Immer mehr Menschen zieht es in die Städte – die Versorgung der wachsenden Bevölkerung mit Agrarprodukten ist eine große Herausforderung. Besonders in urbanen Räumen ist es schwierig, dem Trend zu nachhaltigen, lokalen und qualitativ hochwertigen Produkten nachzukommen. Daher sind neue Agrarsysteme notwendig. Der Lehrstuhl für Verfahrenstechnik des industriellen Umweltschutzes ist an einem großen deutschen Forschungsprojekt beteiligt, das an solchen Agrarlösungen arbeitet.

Projekt SUSKULT

Qualität und Nachhaltigkeit der Ernährung stehen vermehrt im Fokus. Was in landwirtschaftlich geprägten Regionen noch relativ einfach umzusetzen ist, gestaltet sich in den Städten jedoch weitaus schwieriger. Darüber hinaus besteht eine zentrale Zukunftsfrage, wie Ertragssteigerungen in der Agrarwirtschaft bei endlichen Phosphatressourcen, hohem Energieaufwand bei der Düngemittelproduktion und der Verschmutzung von Gewässern und Böden durch Phosphor und Stickstoff künftig möglich sein werden.

Ein Team von 15 Partnern aus Industrie und Forschung unter Koordination des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT will dieses Problem nun lösen und entwickelt im Rahmen des im April gestarteten Projekts SUSKULT ein neuartiges Agrarsystem. Das Besondere dabei ist der Standort: Das Agrarsystem dockt an städtische Kläranlagen an. Doch warum gerade Kläranlagen? Hierzu lohnt sich ein Blick auf die Komponenten, die für eine Pflanzenkultivierung benötigt werden: Für den geschlossenen Anbau von gartenbaulichen Produkten, z. B. in Gewächshäusern, sind das im wesentlichen Nährstoffe (Dünger), CO2, Wärme und Wasser. All diese Ressourcen sind auf Kläranlagen zu finden.

Um eine agrarwirtschaftliche Produktion direkt an Kläranlagen andocken zu können, entwickelt ein interdisziplinäres Konsortium im Rahmen von SUSKULT ein entsprechendes Bausteinsystem. Das Ergebnis soll regional angebautes, qualitativ hochwertiges Gemüse sein.

Leobener Anteil

Die Leobener Verfahrenstechniker sind bei diesem Projekt zusammen mit dem Lehrstuhl für Rohstoffmineralogie der Montanuniversität für die Rückgewinnung von Nährstoffen aus den Abwässern zuständig. „Wir haben in einem bereits abgeschlossenen Projekt an der Rückgewinnung von Stickstoff aus Klärwasser gearbeitet“, erklärt Ass.-Prof. Dr. Markus Ellersdorfer.

Mit einem neuen Verfahren wurde mit Hilfe von Zeolithen überschüssiger Stickstoff aus Abwässern rückgewonnen. Zeolithe sind kristalline Verbindungen, die aufgrund ihrer Struktur die Fähigkeit besitzen, bestimmte Stoffe zu binden bzw. konzentriert wieder freizugeben. In der Natur kommen Zeolithe in Form unterschiedlicher Minerale vor und können in zahlreichen Lagerstätten (z.B. auch in Europa) abgebaut werden.

„In unserem Projekt ließen wir die Abwässer über Zeolithe strömen, wobei der Stickstoff in den Gitterstrukturen ‚hängenbleibt‘ und dann als konzentrierte Lösung wieder ausgewaschen wird“, erläutert Ellersdorfer. Der so gewonnene Stickstoff wird für die Reinigung industrieller Rauchgase eingesetzt. „Im neuen Projekt geht es nun darum, ob unser Stickstoffprodukt auch als Dünger eingesetzt werden kann und ob Kalium und Phosphor – ebenso wichtige Pflanzennährstoffe – auf dieselbe Weise gewonnen werden können“, skizziert Ellersdorfer. Für seine Arbeitsgruppe ist das Mitwirken in einem so großen Projekt natürlich ein großer Erfolg, ist es doch auch schön zu sehen, dass mit neuen Technologien Abläufe im Sinne der Nachhaltigkeit verbessert werden können.

Weitere Informationen:

Ass.-Prof. Dr. Markus Ellersdorfer
Lehrstuhl für Verfahrenstechnik des industriellen Umweltschutzes – Forschungsbereich Renewable Materials Processing
E-Mail: markus.ellersdorfer(at)unileoben.ac.at
Tel.: +43 3842 402-5006

Grafische Darstellung der möglichen Nutzung von Kläranlagen für einen in der Grafik direkt daneben platzierten Gemüseanbau

Grafische Darstellung der möglichen Nutzung von Kläranlagen für den Gemüseanbau [Bildrecht: Fraunhofer / Umsicht]

zurück