Nicht das aggressive, räuberische Verhalten bestimmter Meereswürmer, sondern die noch viel überraschendere mineralische Zusammensetzung der Zähne dieser Lebewesen stand im Mittelpunkt einer wissenschaftlichen Untersuchung unter Beteiligung der Montanuniversität Leoben.
Die aktuelle Ausgabe des renommierten Wissenschaftsmagazins "Science" vom 11. Oktober publizierte die Ergebnisse des interdisziplinären Forschungsprojektes unter dem Titel "High Abrasion Resistance with Sparse Mineralization: Copper Biomineral in Worm Jaws". In den 1,5 Millimeter winzigen Zähnen des Wurmes fanden sich Einlagerungen von Kupfer, teilweise in Form eines sehr seltenen Minerals. Ein wichtiger Teil des Projekts war zu zeigen, wie die Kupfereinlagerungen die Materialeigenschaften der Zähne deutlich verbessern.
Hilferuf aus Kalifornien
Das Projekt war eine Zusammenarbeit von zwei Instituten der University of California, Santa Barbara, und des Institutes für Metallphysik der Montanuniversität Leoben. Die Initiative dieser wissenschaftlichen Kooperation ging von Dr. Helga Lichtenegger aus, einer ehemaligen Doktoratsstudentin bei Professor Dr. Peter Fratzl an der Montanuni und nunmehrigen Mitarbeiterin des Chemie- und Biochemie-Institutes der University of California. Nachdem das Leobener Institut für Metallphysik eines der wenigen wissenschaftlichen Einrichtungen mit einem nano-mechanischen Labor ist, richtete Dr. Lichtenegger einen Hilferuf nach Leoben. Dort führte Dr. Thomas Schöberl die mechanischen Untersuchungen durch und bewies die Rolle der Kupfereinlagerungen für die außergewöhnlichen Eigenschaften der Zähne.
Elastisch und gleichzeitig hart
Das Kupfer in den vier Zähnen des Glycera dibranchiata sorgt gleichzeitig für Elastizität und Härte mit dem Vorteil, dass sie nicht so spröde wie menschliche Zähne sind und dabei eine hohe Verschleißfestigkeit aufweisen. "Wir wären froh", so der Leobener Wissenschaftler Schöberl, "wenn wir ein derartiges Material künstlich herstellen könnten." Erste Hinweise auf Kupfereinlagerungen bei den im Nordatlantik auftretenden Würmern, die etwas größer als Regenwürmer sind, gehen auf das Jahr 1980 zurück. Damals vermutete man allerdings noch, eine Folge der globalen Meeresverschmutzung gefunden zu haben. Die Forschungsergebnisse des Wissenschaftlerteams aus Kalifornien und Leoben belegen jedoch, dass das Kupfer im Zahnmaterial zum biologischen Bauplan gehört, völlig unabhängig vom Metallgehalt des Meerwassers.
Der Natur auf der Spur
Das Leobener Institut für Metallphysik, das gleichzeitig als Institut für Materialwissenschaft der Akademie der Wissenschaften geführt wird, beschäftigt sich eingehend mit biologischen Materialien als "Vorbilder" für Werkstoffe. Aktuelle Forschungen gelten den mechanischen Eigenschaften von menschlichen Knochen und Holz.
Weitere Informationen:
Dr. Thomas Schöberl, Institut für Metallphysik der Montanuniversität, Tel. 03842 804-513, E-Mail: schoeber@unileoben.ac.at