Leobener Chemie-Lehrstuhl arbeitet an 7000 Jahre altem Kriminalfall mit

Ausgrabungen nahe Asparn/Schletz brachten Überreste von mehr als 100 Menschen aus dem Frühneolithikum zum Vorschein. Woher sie kamen und was genau sich vor mehr als 7000 Jahren in dieser Region des Weinviertels zutrug, wollen Archäolog*innen gemeinsam mit Forschenden anderer Disziplinen und mit Hilfe von Citizen Scientists und Schüler*innen der NMS Asparn lösen. Geleitet vom Zentrum für Museale Sammlungswissen­schaften der Universität für Weiterbildung Krems arbeiten Wissenschafter*innen der Montanuniversität Leoben, der Universität für Bodenkultur Wien, des Naturhistorischen Museum Wien und der Landessammlungen Niederösterreich im Projekt „United by crisis?“ zusammen.

Langjährige Ausgrabungen in Asparn/Schletz zwischen 1983 und 2005 lieferten Hinweise auf eine gewalttätige Auseinandersetzung vor über 7000 Jahren, bei der mehr als 100 Menschen den Tod gefunden hatten. In jahrelanger Feinarbeit wurden die teilweise verstreuten Überreste der Opfer geborgen und mit forensischen Methoden untersucht. Die menschlichen Überreste wiesen eine Vielzahl an Verletzungen auf, die von Steinbeilen, Keulen und Pfeilen stammen könnten. Die Körper wurden nicht bestattet, sondern blieben unbeerdigt in der Siedlungsanlage liegen. Auch das weitgehende Fehlen von Frauen im gebärfähigen Alter ist auffallend. Wurden die Frauen von den Angreifern verschleppt?

Transdisziplinärer Forschungszugang

Besonders innovativ am Projekt „United by crisis?“ ist das Zusammenspiel unterschiedlicher Forschungsmethoden und Fachdisziplinen. Neben der Auswertung vorhandener Daten in Museumsdepots und Archiven sind das Kernstück des Projekts systematische Feldbegehungen mit Beteiligung von Citizen Scientists, bei denen die Äcker nach Fundmaterial wie Tonscherben und Steingeräten abgesucht werden. Die Funde werden sorgfältig eingemessen und protokolliert, um Daten über die Ausdehnung und Form der steinzeitlichen Siedlungslandschaft zu erhalten. Durchgeführt werden auch chemische Analysen: Aus Wasser und Nahrung nehmen Lebewesen natürliche Strontiumisotopen zu sich. Durch den Vergleich des Isotopenverhältnisses von menschlichen Zahnproben mit Bodenproben aus der Region kann auf eine lokale oder nicht-lokale Herkunft, d.h. einen Residenzwechsel (Migration), geschlossen werden.

Am Lehrstuhl für Allgemeine und Analytische Chemie werden die historischen Zähne beprobt und mittels Massenspektrometrie auf die Strontiumisotopenverhältnisse gemessen, die ein Maß für die Lokalität oder möglicher Wanderung von Individuen darstellt. Außerdem werden Johanna Irrgeher und Michael Schober, der als Doktorand das Projekt maßgeblich begleitet, in Zusammenarbeit mit den Projektpartnerinnen und einer Schulklasse als Citizen Scientists eine Strontiumisotopenlandkarte für die Gegend um die Ausgrabung erstellen. Dafür werden Bodenproben von den Schülern entnommen und u.a. am LS für Allgemeine und Analytische Chemie analysiert.

Link für mehr Informationen: https://www.donau-uni.ac.at/de/aktuelles/news/2022/7000-jahre-altem-kriminalfall-auf-der-spur.html

 

Weitere Informationen

Priv.-Doz. Dr. Johanna Irrgeher
Lehrstuhl für Allgemeine und Analytische Chemie
E-Mail: johanna.irrgeher(at)unileoben.ac.at
Tel.: 03842 402 1204

 

Team des Projekts "United by crisis". hintere Reihe (v.l.n.r.): Michael Schober, Montanuniversität Leoben; Markus Puschenreiter, Universität für Bodenkultur Wien; Johanna Irrgeher, Thomas Prohaska und Sara Widhalm, Montanuniversität Leoben; vordere Reihe (v.l.n.r.): Cornelia Hascher, Julia Längauer und Jakob Maurer, Universität für Weiterbildung Krems; Maria Teschler-Nicola, Naturhistorisches Museum Wien; Franz Pieler, MAMUZ © Universität für Weiterbildung Krems

Skelett, das bei den Grabungen in Schletz zum Vorschein kam. © Landessammlungen Niederösterreich

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