In den vergangenen fünf Jahren wurden in Österreich ca. 1,8 Millionen Paar Ski und Ski-Schuhen, ca. 2,3 Millionen Paar Ski-Stöcke und ca. 1,4 Millionen Ski-Helme verkauft– die Wiederverwertung dieser Artikel ist ein junges Forschungsfeld für die Montanuniversität Leoben und die Industrie. Es birgt ein immenses Potenzial, um den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und einen Beitrag zur Erfüllung des Green Deals der EU zu leisten. Unter der Projektleitung von ecoplus. Niederösterreichs Wirtschaftsagentur GmbH und unter dem Motto „Made in Austria“ haben sich im Projekt WINTRUST Wintersportartikelhersteller, Zulieferer und Händler, Betriebe im Bereich der Sammlung, Aufbereitung und des Recyclings, aber auch Forschungsinstitutionen zusammengeschlossen, um in den nächsten drei Jahren ein solides Fundament für das Recycling von Wintersportartikeln zu legen. Dazu werden zunächst Artikel aller vier Use Cases des Projekts (1: Ski + Bindung, 2: Ski-Schuhe, 3: Ski-Helme und 4: Ski-Stöcke) in den Pilotregionen Pinzgau und Pongau von der ZEMKA Gesellschaft m.b.H. gesammelt und danach zerlegt. Die erste Demontage übernimmt die GW St. Pölten, ein integrativer Betrieb, bei dem zunächst alle Teile auseinandergebaut werden, die händisch zerlegt werden können. Anschließend kommen die Materialien an das Transfercenter für Kunststofftechnik TCKT in Wels, wo die restlichen Materialverbunde so gut es geht getrennt werden.
Department für Kunststofftechnik – Expertise im Kunststoffbereich
Ski-Equipment besteht zu einem großen Teil aus Kunststoffen – kunststofftechnisches Know-How bringen daher gleich drei Lehrstühle an der Montanuniversität Leoben in das Projekt ein: Kunststoffverarbeitung, Chemie der Kunststoffe sowie Verarbeitung von Verbundwerkstoffen und Design für Recycling.
Viele Materialien in Skiern, Ski-Bindungen und -Schuhen werden mit starken Klebstoffen verbunden, damit daraus ein robustes Verbundmaterial wird. Diese Klebeverbindungen können rein mechanisch – also beispielsweise durch Schreddern – nicht aufgetrennt werden. Daher befasst sich der Lehrstuhl für Chemie der Kunststoffe im Projekt WINTRUST damit, diese Klebeverbindungen chemisch zu lösen. Vor allem bei Epoxid-Klebstoffen ist dies eine Herausforderung: etablierte Methoden wie Erhitzen oder die Behandlung mit Säuren können einerseits bei zu gut haftenden Klebern versagen und andererseits die restlichen Materialien angreifen. Daher werden hier von unseren Wissenschaftlern*innen auch innovative Ansätze wie der Einsatz von Laserstoßwellen und Mikrowellen zum Aufbrechen der Klebeverbindungen untersucht.
Der Lehrstuhl für Kunststoffverarbeitung beschäftigt sich mit der Aufbereitung der unterschiedlichsten Materialfamilien. Untersucht werden jene Materialien, die zuvor bestmöglich getrennt werden konnten und in ausreichender Menge zur Verfügung stehen - nur so können Analysen und Experimente auch reproduzierbar gestaltet werden. In Extrusionsanlagen am Zentrum für Kunststofftechnik werden die Kunststoffe aufgeschmolzen und durch die Zugabe von Zusatzstoffen so angepasst, dass sie im besten Fall wieder für die Ursprungsprodukte verwendet werden können. All jene Stoffe, die zuvor nicht ausreichend getrennt oder nicht mehr aufgeschmolzen werden können, sollen als Füllstoff für andere Anwendungen eingesetzt und ebenfalls an den Lehrstühlen für Kunststoffverarbeitung und Chemie der Kunststoffe untersucht werden.
Eine besondere Hürde im Projekt ist das Recycling von Skiern. Hierzu gibt es nur wenige bis keine Erfahrungswerte. Daher zielt die Arbeit in Leoben neben der Entwicklung eines prozessnahen Workflows auch darauf ab, reproduzierbare Realdaten zu erheben und diese dann in Handlungsempfehlungen umzuwandeln. Am Lehrstuhl für Verarbeitung von Verbundwerkstoffen und Design für Recycling soll dafür eine umfangreiche Lebenszyklusanalyse (life cycle assessment LCA) der oben genannten Prozesse durchgeführt werden: Von der Sammlung bis hin zum neuen Produkt aus dem gewonnen Recyclingmaterial werden die potenziellen Umweltwirkungen und die Energiebilanz systematisch analysiert. Die Berechnungen sollen dabei von Beginn an mitlaufen, und nicht wie bei anderen Projekten erst am Ende der Laufzeit erstellt werden. Dies ermöglicht eine frühzeitige Einschätzung der ökologischen und ökonomischen Machbarkeit, und damit eine bessere Planbarkeit sowie Justierbarkeit der Recyclingversuche.
Kontakt:
Dipl.-Ing. (FH) Nina Krempl
Lehrstuhl für Kunststoffverarbeitung
E-Mail: nina.krempl(at)unileoben.ac.at
Tel.: +43 3842 402 3521