Werkstoffe wachsen lassen

Ein fluoreszierendes T-Shirt, das auch nach 30 Mal waschen noch genauso leuchtet wie am ersten Tag: eine Utopie? Keineswegs! Forscher aus Deutschland, Israel und Österreich haben erstmals das natürliche Wachstum von Baumwollfasern mit direkt in die Zellulose integrierten Funktionen wie Fluoreszenz oder Magnetismus demonstriert. Das eröffnet vielfältige neue Möglichkeiten für so genannte smarte Textilien.

Baumwolle ist die am häufigsten eingesetzte Naturfaser für Heim- und Bekleidungstextilien weltweit. Immer häufiger werden zusätzliche Funktionen in die Textilien integriert, bisher allerdings ausschließlich durch chemische oder physikalische Nachbehandlungen der Fasern. Das hat den Nachteil, dass z. B. funktionale Beschichtungen durch Waschen oder durch mechanischen Abrieb die Funktionalität recht schnell wieder verlieren oder zumindest an Qualität einbüßen.

Dr. Filipe Natalio (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) und seine Ko-Autoren aus u. a. Leoben zeigen in ihrer jüngsten Studie in der Fachzeitschrift „Science“, dass es auch anders geht, nämlich Baumwollfasern direkt mit der gewünschten Eigenschaft wachsen zu lassen. Das erreichen sie, indem sie geeignete hochspezialisierte Moleküle entwickeln, welche über die Nährstoffkette in die Pflanze aufgenommen und direkt in die Zellulosefasern eingebaut werden. Dieser Ansatz ist fundamental anders als alle bisherigen Ansätze zur Herstellung von funktionellen Textilfasern, da er in einem wirklichen „bottom up“ -Prinzip durch eine komplexe „biologische Fabrik“ erfolgt. Benötigt werden dazu nur die entsprechend maßgeschneiderten Moleküle, mit denen die Pflanzen „gefüttert“ werden, um komplexe Werkstoffe mit gewünschten Eigenschaften zu „ernten“. Dementsprechend nennen die Autoren ihren Ansatz auch „Bio-Fertigung“.

Nanostruktur-Untersuchungen in Leoben

Von österreichischer Seite wurden von Forschern der Montanuniversität und des Materials Center Leoben detaillierte Nanostruktur-Untersuchungen mit Röntgenstrahlen an den funktionalisierten Baumwollfasern im Vergleich zu nicht modifizierten Fasern durchgeführt. Durch diese Experimente konnte eindeutig belegt werden, dass die funktionellen Einheiten in der Tat auf molekularer Ebene in die nur wenige Nanometer dicken Zellulosefibrillen der Baumwollfasern eingebaut werden, wobei sich die Fibrillen selbst durch den Einbau jedoch kaum ändern.

„Diese Erkenntnis ist äußerst wichtig und lässt vermuten, dass weder die beiden in der Arbeit demonstrierten Eigenschaften der Fluoreszenz und des Magnetismus, noch die Baumwollpflanze selbst eine grundsätzliche Einschränkung für die 'Bio-Fertigung' darstellen“, argumentiert Univ.-Prof. Dr. Oskar Paris vom Institut für Physik der Montanuniversität Leoben und Ko-Autor der Arbeit. „Damit eröffnet sich eine riesige Vielfalt an möglichen Materialien, deren Hochskalierung eigentlich nur durch die Verfügbarkeit der funktionalen Moleküle Grenzen gesetzt sind: Ich denke z. B. an Kleidung, die einfach die Bewegungsenergie des Körpers in elektrische Energie umwandelt und auch speichert; oder an Holz mit bereits beim Wachstum integriertem Flammschutz. Und das alles vollkommen ohne Gentechnik!“, schwärmt Paris.

Weitere Informationen:

Univ.-Prof. Dr. Oskar Paris
Institut für Physik
Tel. +43 3842 402-4600
E-Mail: oskar.paris(at)unileoben.ac.at

Lichtmikroskopie-Aufnahme von grün fluoreszierenden Baumwollfasern mit biosynthetisch in die Zellulosefibrillen integrierten konjugierten Molekülen

Lichtmikroskopie-Aufnahme von fluoreszierenden Baumwollfasern mit biosynthetisch in die Zellulosefibrillen integrierten konjugierten Molekülen

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