Geschichtlicher Überblick
Durch die stürmische Entwicklung des Maschinen- und Verkehrswesens zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde auch das alpenländische Berg- und Hüttenwesen zu einer Steigerung der Leistungen gezwungen. Dies konnte nur mehr mit wissenschaftlich geschulten Fachkräften erreicht werden. Daher hatten die Kuratoren des Joanneums, einer von Erzherzog Johann im Jahre 1811 gegründeten technischen Fachschule, am 16. November 1814 den Antrag auf Errichtung einer Lehrkanzel für Hüttenkunde gestellt. Die Anregung ging von Erzherzog Johann, dem Gründer und Protektor des Joanneums, aus, scheiterte aber zunächst am Fehlen einer geeigneten Lehrerpersönlichkeit; jedoch konnte der Plan aus innerer Notwendigkeit nicht mehr zur Ruhe kommen.
Die Kuratoren stellten 1828 erneut den konkreten Antrag auf Systemisierung einer Lehrkanzel für Hüttenkunde. Als deren Standort wurde Vordernberg, der damals bedeutendste Ort des alpenländischen Eisenwesens, bestimmt. Erzherzog Johann wählte mit bewundernswerter Menschenkenntnis im Jahre 1833 den damals erst 24-jährigen Peter Tunner als künftigen Professor aus, der 1835 ernannt wurde.
Steiermärkisch-Ständische Montanlehranstalt
Am 4. November 1840 konnte in Vordernberg die "Steiermärkisch-Ständische Montanlehranstalt" eröffnet werden. Aus der Antrittsvorlesung Peter Tunners geht schon seine klare Absicht hervor, den Unterricht auf hochschulmäßigem Niveau zu halten und seine Schule zu einem Mittelpunkt der montanistischen Wissenschaften im Alpenraum auszugestalten.
Nach erfolgreichen Jahren in Vordernberg brachte das Revolutionsjahr 1848 den Anstoß zu einem grundlegenden Wandel. Die k. k. Bergakademie in Schemnitz in Oberungarn fiel für den Besuch durch österreichische Studierende aus. Peter Tunner betrieb daher die Übernahme seiner Schule durch den Staat. Die steirischen Stände willigten in diese Eigentumsübertragung mit dem ausdrücklichen Vorbehalt ein, dass die künftige k. k. Montanlehranstalt immer in der Steiermark verbleiben und in ihrer Lehre vorzüglich auf das steirische Eisen Bedacht nehmen müsse. 1848 wurde die Vordernberger Lehranstalt vom Staat übernommen und übersiedelte 1849 in die nahe gelegene Kreisstadt Leoben.
K. k. Montanlehranstalt in Leoben
Die Organisation der Lehranstalt war auf eine Spezialschulung von Studierenden abgestellt, die bereits eine gründliche Ausbildung in den mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächern an den Polytechnischen Instituten in Wien und Prag oder am Joanneum in Graz erhalten hatten. Den Bemühungen Peter Tunners gelang die Einführung von zwei vorbereitenden Jahrgängen in Leoben, sodass die Studenten auf Grund des Reifezeugnisses eines Gymnasiums oder einer Realschule aufgenommen werden und nach insgesamt vier Studienjahren die Anstalt als absolvierte Bergakademiker verlassen konnten. Diese Gleichstellung der Anstalt mit der Bergakademie Schemnitz wurde mit der Erhebung zur Bergakademie am 2. September 1861 bestätigt.
Das Kriegsjahr 1866 brachte durch die Aufhebung der Vorkurse einen argen Rückgang des Hörerstandes, nur den vereinten Bemühungen der Industrie und des Professorenkollegiums gelang es, im Jahre 1870 die Vorkurse wieder zu errichten. Am 15. Dezember 1874 erhielt die k. k. Bergakademie ein neues Statut, das eine gesunde, ruhige Entwicklung gewährleistete. Die Professoren wurden im Rang den Professoren der Technischen Hochschulen gleichgestellt.
Montanistische Hochschule
Mit kaiserlicher Entschließung vom 31. Juli 1904 wurde die Bergakademie zur Montanistischen Hochschule erhoben und erlangte durch die Verleihung des Promotionsrechtes die völlige Gleichstellung mit den Technischen Hochschulen. Im Herbst 1910 konnte die Montanistische Hochschule in den repräsentativen und für den damaligen Stand großzügig entworfenen Neubau am Josefee einziehen.
Schwierige Zeiten
Nach kurzen Jahren im neuen Heim leerte der Weltkrieg die Hörsäle. Als zu Anfang des Jahres 1919 wieder ein geregelter Betrieb einsetzen konnte, musste vorübergehend durch den Rückstau der Kriegsjahrgänge ein übergroßer Hörerstand bewältigt werden. In Anpassung an die Fortschritte des Montanwesens wurde eine neue Studienordnung geschaffen, die die völlige Trennung der Studienrichtungen des Bergwesens und des Hüttenwesens mit sich brachte.
Trotz aller Nöte der Nachkriegszeit konnte die Hochschule ihre Aufwärtsentwicklung fortsetzen, doch brachten ihr die immer wieder auftauchenden Pläne einer Teilung oder gänzlichen Verlegung beträchtlichen Schaden. Im Jahre 1934 kam es zu einer teilweisen Verwirklichung dieser Pläne durch den organisatorischen Zusammenschluss der Montanistischen Hochschule mit der Technischen Hochschule Graz und durch die Verlegung der beiden vorbereitenden Studienjahre nach Graz. Dies brachte einen schwerwiegenden Rückschlag der Hörerzahlen, sodass der österreichischen Montanindustrie schwere Nachwuchssorgen entstanden. Den vereinten Bemühungen der Industrie, des Professorenkollegiums und der Stadt Leoben sowie dem einsichtsvollen Verständnis der Bundesregierung ist die Wiedererrichtung der selbstständigen und vollständigen Montanistischen Hochschule durch das Bundesgesetz vom 3. April 1937 zu danken.
Eine Ära ruhiger Weiterentwicklung wurde neuerlich unterbrochen durch den "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im Jahre 1938, der eine äußere Angleichung an die deutsche Studienordnung mit sich brachte. Trotzdem konnte der Name "Montanistische Hochschule" erhalten werden, der ihr eine Einmaligkeit im Deutschen Reich sicherte. Der Zweite Weltkrieg brachte schwerwiegende Eingriffe in den Studienbetrieb, doch blieb die Hochschule von materiellen Kriegsschäden verschont. Auch der Zusammenbruch des Jahres 1945 und die Besetzung des Landes durch fremde Truppen gingen ohne dauernde Beeinträchtigung vorüber.
Neue Studienrichtungen
Die Hörerzahlen stiegen in den Jahren von 1945 bis 1955 von 300 auf 600 an. Etwa ab 1955 wurden sukzessive neue Studienrichtungen eingeführt, sodass aus dem einheitlichen Studium des Berg- und Hüttenwesens inzwischen ein Studienangebot geworden ist, das die alten Kernfächer zwar noch enthält, jedoch die gesamte Palette der Fachgebiete von den Rohstoffen bis zu den Werkstoffen umfasst. So bestand 1969 die Montanistische Hochschule aus 25 Instituten für sechs Studienrichtungen: Bergwesen, Markscheidewesen, Erdölwesen, Hüttenwesen, Gesteinshüttenwesen und Montanmaschinenwesen. 1970/71 wurde das Angebot durch die beiden Studienrichtungen Kunststofftechnik und Werkstoffwissenschaft erweitert. Um 1970 kamen nochmals sieben neue Institute hinzu, um das durch die Ausdifferenzierung stark gestiegene und notwendige Lehrangebot abdecken zu können. In diese Zeit fällt auch die Eröffnung des seit dem Jahr 1962 in Bau befindlichen großzügigen Zubaus am Ignaz-Buchmüller-Platz. Im Oktober 1990 konnte das neu gestaltete Peter-Tunner-Gebäude seiner Bestimmung übergeben werden. Nach den Plänen des Architekten Eilfried Huth wurde das bestehende Institutsgebäude adaptiert und zu einem modernen Bau unter Einbeziehung der denkmalgeschützten Altbestände für die geowissenschaftlichen Institute umgebaut. Im Oktober 1990 feierte die Montanuniversität ihr 150-jähriges Bestehen. Gleichzeitig konnten zwei neue Studienrichtungen, nämlich Angewandte Geowissenschaften und Industrieller Umweltschutz, Entsorgungstechnik und Recycling, eingerichtet werden. Die Studienrichtung Industrielogistik wurde 2003 und das Bachelorstudium Industrielle Energietechnik 2012 (Masterstudium seit 2009) eingerichtet. Mit Oktober 2014 starteten das Bachelor- und Masterstudium Recyclingtechnik sowie das englischsprachige Joint Master Programme Advanced Mineral Resources Development. Im Herbst 2020 startete die jüngste Studienrichtung Industrial Data Science.
Im Bereich der postgradualen Weiterbildung sind 16 Universitätslehrgänge eingerichtet.
Montanuniversität Leoben
Seit 1. Oktober 1975 führt die Montanistische Hochschule aufgrund des Universitätsorganisationsgesetzes 1975 den Namen Montanuniversität Leoben. Nachdem 1981 die 1.000-Hörer-Grenze erstmals überschritten wurde, gibt es im Studienjahr 2012/13 rund 3.300 Studierende, die höchste Anzahl seit Gründung der Montanuniversität. Seit dem Studienjahr 2011/12 bietet die Montanuniversität ausschließlich Bachelor- und Masterstudien an. Die Bachelorstudien schließen nach dem 7. Semester mit dem akademischen Grad "Bachelor of Science" ab, die darauf aufbauenden Masterstudien nach dem 3. bzw. 4. Semester (je nach gewähltem Masterstudium) mit dem akademischen Grad "Dipl.-Ing.".
Aufgrund des Universitätsgesetzes 2002 kam es zu großen strukturellen Veränderungen, wobei die Entscheidungsstrukturen auf das Rektorat, den Senat und den Universitätsrat aufgebaut sind.
Ausbau des Campus
Nachdem 1981 die 1.000-Hörer-Grenze erstmals überschritten wurde, gab es im Wintersemester 2014/15 über 3.700 Studierende, die höchste Anzahl seit Gründung der Montanuniversität. Bedingt durch die gestiegenen Hörerzahlen hat sich die Universität auch in jüngster Zeit räumlich vergrößert. 2006 wurde das alte Landesgericht zu einem Roh- und Werkstoffzentrum (RWZ) adaptiert. Der Neubau IZW (Impulszentrum für Werkstoffe) wurde 2007 eröffnet. In diesen durch eine Glasbrücke miteinander verbundenen Gebäuden befinden sich wissenschaftliche Organisationseinheiten, die Kompetenzzentren MCL (Materials Center Leoben) und PCCL (Polymer Competence Center Leoben) sowie administrative Organisationseinheiten der Montanuniversität. Im Herbst 2009 wurde der generalsanierte Hörsaaltrakt mit dem Erzherzog-Johann-Auditorium wiedereröffnet. Im Frühjahr 2010 siedelte das Department Kunststofftechnik in das neue Zentrum für Kunststofftechnik Leoben. Das ehemalige Forschungs- und Rechenzentrum der voestalpine wurde für die Kunststofftechnik-Lehrstühle adaptiert. 2011 wurde das Impulszentrum Rohstoffe (IZR) eröffnet, in dem Forschungsaktivitäten der Departments Mineral Resources Engineering und Petroleum Engineering betrieben werden. Im Herbst 2016 bezog das Department Petroleum Engineering das neu renovierte ehemalige Rabcewicz-Gebäude, zwei Jahre später wurden auch die Räumlichkeiten der ehemaligen Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft in der Parkstraße bezogen. Im September 2020 startete der Bau des neuen Studienzentrums hinter dem Technologie-Transfer-Zentrum.